In seiner bahnbrechenden Entscheidung in der Rechtssache C-507/17, Google gegen CNIL, entschied der Gerichtshof, dass Google nach EU-Recht nicht verpflichtet ist, das europäische Recht auf globales Vergessen zu erweitern. In der Entscheidung wird klargestellt, dass in der EU ansässige Personen zwar ein Recht auf Vergessenwerden haben, dieses Recht aber nur innerhalb der Grenzen der 28 Mitgliedstaaten besteht.
Der Gerichtshof stellte in seiner Überprüfung fest, dass die Datenschutzrichtlinie von 1995 und die am 25. Mai 2018 in Kraft getretene Allgemeine Datenschutzverordnung (DSGVO) die Richtlinie aufheben. Die Entscheidung ist wichtig, weil sie auf den ersten Blick die Tür für EU-Bürgerinnen und -Bürger geschlossen zu haben scheint, in einigen Fällen den weltweiten Ausschluss ihrer Daten aus den Suchmaschinenergebnissen gemäß der DSGVO zu verlangen. Der Gerichtshof hat insbesondere den territorialen Geltungsbereich des Rechts auf Ausschluss einer Person eingeschränkt.
Recht auf Vergessenwerden
Die Rechtsprechung, die das europäische Recht auf Vergessenwerden definiert, wurde vom EuGH im Jahr 2014 geschaffen (Google Spain und Google, C-131/12), auch bekannt als das Recht auf De-Referenzierung oder Delisting. Danach können Personen in der EU von Suchmaschinen verlangen, dass Links, die personenbezogene Daten enthalten, aus den Ergebnissen von Websuchen nach ihrem Namen gelöscht werden. Der Gerichtshof wies in diesem Urteil auch darauf hin, dass dieses Recht (kodifiziert in Artikel 17 der Datenschutz-Grundverordnung) nicht absolut ist und nur dann gewährt wird, wenn die Datenschutzrechte einer Person das Interesse der Öffentlichkeit am weiteren Zugang zu den Daten überwiegen.
Hintergrund: Rechtssache C-507/17
Der Fall betraf einen Konflikt zwischen Google Inc. und CNIL, der französischen Datenschutzbehörde, über das Ausmaß der Auswirkungen des De-Referencing. Im Jahr 2015 wurde Google von der CNIL über die Notwendigkeit informiert, Links aus allen Versionen seiner Suchmaschine weltweit zu löschen. Google weigerte sich, dem nachzukommen, und beschränkte die Löschung von Links auf Suchergebnisse, die in Versionen seiner Suchmaschinen mit Domänenerweiterungen innerhalb der EU und der EFTA sowie in Geoblocking-Anwendungen angezeigt wurden. Diese Maßnahme verhindert, dass Links bei Suchanfragen in Frankreich angezeigt werden, unabhängig von der verwendeten Version. Google legte beim Conseil d’État Berufung ein, um die von der CNIL verhängte Geldbuße in Höhe von 100.000 EUR aufzuheben. Der Conseil d’État legte daraufhin dem Gerichtshof Fragen zum Umfang der Umsetzung von Artikel 12 Buchstabe b und Artikel 14 Buchstabe a der Richtlinie zur Vorabentscheidung vor und räumte „eine Reihe von erheblichen Schwierigkeiten bei der Auslegung der Richtlinie“ ein.
CNIL’s Argumente
Die CNIL vertritt die Auffassung, dass Google die Links einheitlich löschen muss, um erfolgreich zu sein. Sie ist der Ansicht, dass die beiden Schritte, die Google unternommen hat, um der Richtlinie nachzukommen, unzureichend sind: (1) die Streichung der Links von allen EU- und EFTA-Erweiterungen und (2) die Streichung der Links von allen Suchanfragen, die auf französischem Gebiet durchgeführt werden. Die CNIL hat argumentiert, dass andere Versionen außerhalb der EU (z. B. Google.com) von Internetnutzern mit Sitz in Frankreich weiterhin verwendet werden können. Folglich ist es nicht notwendig, die Verbindungen zu einer in Frankreich lebenden Person nur aus der französischen Version (google.fr) oder sogar aus den Versionen in den anderen EU-Mitgliedstaaten zu löschen, um das Recht des Einzelnen zu wahren, was einen Verstoß gegen die Richtlinie darstellt.
Google’s Argument
Google argumentiert, dass die CNIL den Wortlaut des Gesetzes zur Anerkennung des Rechts auf De-Referenzierung falsch interpretiert hat, indem sie erklärte, dass das Recht „eigentlich nicht verlangt, dass die fraglichen Links von allen Domainnamen seiner Suchmaschine ohne geografische Einschränkung gelöscht werden“. Google argumentierte, dass die Fehlinterpretation der CNIL darauf hinauslief:
1) einen Verstoß gegen die Regeln des Völkerrechts der Domain-Namen seiner Suchmaschine.
2) eine unverhältnismäßige Verletzung der Meinungs-, Informations-, Kommunikations- und Pressefreiheit.
Rechtsfrage
Der Gerichtshof erörterte die Frage, ob die EU-Datenschutzvorschriften zur Löschung von Links als Verpflichtung für den Betreiber einer Suchmaschine angesehen werden können:
1. Beide Versionen der Suchmaschine (weltweit) oder
2. Nur Versionen für alle Mitgliedstaaten (innerhalb der EU) oder
3. Nur in der Fassung, die sich auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Antragstellers bezieht.
Die Begründung des Gerichts
In Bezug auf Google stellte der Gerichtshof fest, dass Suchmaschinenbetreiber nach EU-Recht nicht verpflichtet sind, Links für alle Versionen ihrer Suchmaschine zu löschen. Zur Untermauerung seiner Aussage stellte der Gerichtshof klar, dass die Texte der Richtlinie und der DSGVO nicht darauf hindeuten, dass der EU-Gesetzgeber beschlossen hat, einen Anwendungsbereich einzuräumen, der über das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten hinausgeht, oder dass er beabsichtigt, dem Suchmaschinenbetreiber eine Pflicht zur Löschung von Verweisen auf nationale Versionen von Suchmaschinen außerhalb der EU aufzuerlegen.
Mehr als nur eine territoriale Einschränkung des Rechts auf Vergessenwerden
Die Bedeutung dieser Entscheidung liegt auch darin, dass sie als Test dafür angesehen wurde, ob die EU ihre Anforderungen an den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre außerhalb ihres Hoheitsgebiets ausweiten kann. Die Reibungen zwischen den nationalen Regulierungsbehörden und diesen Unternehmen werden sich voraussichtlich verschärfen, da die Unternehmen, die personenbezogene Daten verarbeiten, ihren Anwendungsbereich weiterhin auf globaler Ebene ausweiten.
Die rechtliche Bedeutung der Entscheidung des Gerichtshofs besteht also nicht nur darin, dass sie den geografischen Geltungsbereich des Rechts auf Vergessenwerden einschränkt, sondern auch darin, dass sie die Rolle der Datenschutz-Grundverordnung verbessert, indem sie die Datenschutzanforderungen als Untergrenze und nicht als Obergrenze festlegt, was sich möglicherweise auf Unternehmen in der ganzen Welt auswirkt.
Schlussfolgerung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich dieser Fall zwar speziell auf die geografische Begrenzung des Rechts auf Vergessenwerden konzentriert, die Entscheidung aber generell eine breitere Auswirkung auf den territorialen Geltungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung haben könnte. Neben Suchmaschinen könnte theoretisch jede Einrichtung, die von den Datenschutzbehörden und Gerichten der EU oder ihrer Mitgliedstaaten als Anbieter von Diensten angesehen wird, die eine einzige Verarbeitung personenbezogener Daten vornehmen, in den Anwendungsbereich der DSGVO fallen.